Die Angst vor dem Versagen – Mit Marco Michalzik und Johannes Falk

Stell dir vor, du machst was Tolles, und keiner merkt es. Oder: Stell dir vor, du versuchst, etwas Tolles zu machen, alle schauen dir dabei zu – und du scheiterst. Nicht schön. Deshalb schrecken wir oft vor den großen Herausforderungen zurück und bekommen folglich auch nichts auf die Reihe. Das gilt für viele von uns, gerade aber auch für Künstler*innen. Wie kann man mit der Angst vor dem Versagen umgehen? Welche Rolle spielt dabei Scham? Wir haben darüber mit dem Spoken Word Artist Marco Michalzik und dem Sänger und Musiker Johannes Falk gesprochen. Sie haben gerade erst ein gemeinsames Projekt veröffentlich, den Track ‚Des Kaisers neue Kleider‘, das von einem sehr schönen Video von Sergej Falk begleitet wird und dieses Thema aufgreift. Für das Gespräch haben wir uns in Johannes‘ Studio in Heidelberg getroffen, haben ein paar Flaschen aufgemacht und Tacheles geredet. Außerdem performen die beiden ihren Song live. Müsst ihr hören!

(Das Foto des Episodenbildes stammt von Sergej Falk.)

Das Video von Brené Brown über Scham , das Johannes und Marco im Talk erwähnen, findest Du hier.

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29 Kommentare

  1. Erst war ich nur so halb dabei, Männer, die ihre Kunst besprechen, naja… Dann tauchte das Thema Scham, Angst, Mut , Sich Zeigen auf und ich war Feuer und Flamme!
    Sofort dachte ich an Brenee Brown, und – Zack – spricht der Marco von ihr, so cool!
    Hört sie Euch mal an, ich konnte mir viel von ihren Forschungsergebnissen mitnehmen.
    https://www.ted.com/talks/brene_brown_the_power_of_vulnerability?language=en
    Wer den Mut hat, sich verletzlich zu zeigen, wird mehr Verbindung, Bedeutung, Wert, Geliebtwerden erleben als je zuvor. Und diesen Mut haben tendenziell die Menschen, die das Grundgefühl haben ‚ich bin es wert, geliebt zu werden‘.
    Das schließt (potentiell jedenfalls) den Kreis zum christlichen Verständnis des geliebten Gotteskindes.
    Oder, wer weniger Religiosität rein haben will, kann in Herangehensweisen wie der Gewaltfreien Kommunikation die Haltung finden, Empathie und Leidenschaft für sich selbst und andere zu entwickeln.
    Und dann, mit dem Grundgefühl ‚ ich bin wertvoll ‚ und dem Mut, das eigene Un-perfektsein zu umarmen, geht es raus aus der Komfort Zone und rein ins Abenteuer!

    Danke für neue Inspiration dazu!

    • Danke für den Tipp und Deine Gedanken, Kathrin! Brené Browns zweiten Talk über Scham haben wir auch in den Shownotes verlinkt. Auch der ist echt gut.

  2. Ja, das Thema Scham und Versagensängste trifft ins Schwarze. Ich beobachte das schon länger, bei mir persönlich und bei anderen Menschen. Es ist unglaublich, wieviel Unsicherheit und Ängste vorhanden sind, gerade bei sehr begabten Menschen. Dieses Gefühl, nicht gut genug zu sein, nicht gesehen und nicht anerkannt zu werden, nichts schaffen zu können, was wirklich gut ist.

    Ich bin sicher, dass dieses Thema für Künstler noch ein Ticken stärker ist. Weil der Konflikt vorprogrammiert ist. Du musst dich frei fühlen, um kreativ sein zu können, bist aber auch auf Resonanz angewiesen. Du kannst etwas erschaffen, was einzigartig und herausragend ist, aber unter Umständen interessiert sich keine Sau dafür. Das ändert nichts an der Einzigartigkeit dessen, was du geschaffen hast, aber es verändert etwas in dir und gibt dir das Gefühl, nicht gut genug zu sein. Du musst in einem Wimmelbuch, in dem man schon tausend andere Nasen suchen kann, eine Nische finden, wo du deine Nase möglichst gut präsentieren kannst; und wenn du dann gnadenlos untergehst, suchst du den Fehler bei dir. Ein Teufelskreis!

    Es bricht mir das Herz, wenn ich sehe, dass ein Künstler wie Johannes Falk, der für mich persönlich der beste Songwriter im deutschsprachigen Raum ist und als Sänger und Komponist Werke erschaffen kann, die unter die Haut gehen wie keine anderen, damit ringen musste Konzerte zu planen! Ich verstehe das nicht; ich sehe, wie es dazu kommt, wie schwierig es ist, im Markt wahrgenommen zu werden, aber ich verstehe es nicht, wenn ich seine Kunst als Solche betrachte. In meinen Augen würde er es verdienen in fucking vollen Stadien zu spielen!

    Das ist das Eine. Das andere ist der eigene künstlerische Anspruch, der innere Kritiker, der allzu oft eine Idee schon im Keim erstickt. Das hat nicht primär damit zu tun, ob der Erfolg da ist oder nicht, es gibt grosse Künstler, die umso grössere persönliche Krisen haben. Es ist unser Selbstbild, an dem wir arbeiten sollten. Oft sind wir zu uns selbst viel härter und gnadenloser als zu anderen. Angefangen mit unserem Körper. Wir sehen oft nur, dass wir nicht schön genug, nicht schlank genug, nicht stark genug oder nicht fit genug sind. Dass unser Körper uns durchs Leben trägt, uns Wohnung und Heimat ist, unsere Macken mitmacht, unsere Exzesse erträgt und ausgleicht, uns überall hin- und wieder nach Hause bringt, sehen wir nicht.

    Als Menschen sehen wir, dass wir uns verbessern könnten, noch mehr tun müssten, noch kreativere Ideen haben und sowieso schon viel weiter sein müssten, noch mehr für andere und die Umwelt tun und mehr Mitgefühl haben müssten. Und vergessen dabei, dass unsere Seele hofft, liebt und leidet, erträgt, ersehnt, seit wir unseren ersten Atemzug getan haben… wie oft lassen wir sie nicht zur Ruhe kommen? Und auch dafür machen wir uns nur Vorwürfe, anstatt mit uns gnädig zu sein und zu sehen, dass es eine grosse Herausforderung ist, uns selbst mit Achtung zu behandeln, in der reizüberfluteten Welt, in der wir nun einmal leben.

    Auf unserem Planeten sind wir auf dem Optimierungstrip, alles muss noch mehr Profit, noch mehr Anerkennung, noch mehr Impact haben, alles muss gesteigert werden – aber was ist die Steigerung für leben?

    Was mir persönlich hilft, ist tatsächlich dafür zu sorgen, dass ich mich selbst besser wahrnehme. Das ich spüre, wie es mir geht, meine Gefühle zulasse und auf meinen Körper und mein Bauchgefühl höre. Und ich versuche mich liebevoll zu behandeln. Je mehr ich mich selbst liebe und annehme, umso besser kann ich mit meinen Ängsten umgehen, umso gnädiger bin ich mit mir selbst, wenn mir etwas nicht so gelingt, wie ich es erhofft habe. Mal gelingt es besser, manchmal schlechter, ich bleibe einfach dran.

    Im Talk habt ihr es gut auf den Punkt gebracht: Kunst ist ein Teil der Identität. Deshalb ist es wichtig, zu sich selbst zu schauen. Sich selbst zu achten. Integer zu sein, sich treu zu bleiben. Und ja, mag sein, dass es gut ist sich an die Grenzen zu bringen und dadurch über sich hinaus wachsen zu können. Aber das gelingt nur, wenn ich mich auch dann noch lieben kann, wenn ich scheitere.

  3. Ach und Gofi, wenn Leute dich loben, dann kannst du das Lob voll und ganz annehmen und dich darüber freuen! Es ist gut möglich, dass die Leute nicht wissen, wieviel Zeit du investiert hast, wie viele Anläufe du gemacht hast um das Projekt anzufangen und wie mühsam es manchmal war dran zu bleiben. Aber das Resultat gefällt ihnen, und das können sie beurteilen. Wahrscheinlich würden sie dich noch mehr loben, wenn sie mehr Ahnung hätten, und nicht weniger.

    Und hier schon mal ein Lob für dich zum Üben: Du hast ein grosses Talent dafür den Alltag einzufangen und das Leben zu spiegeln, du bastelst nicht einfach eine Geschichte zusammen, in der ein paar Protagonisten aufs Happy-End zutorkeln, du hast einem ganzen Stadtteil mitsamt seinen Bewohnern Leben eingehaucht und schaffst es, sowohl dem jungen Mädchen, wie auch dem älteren Kneipenwirt eine Seele zu geben. Ich habe keine Ahnung, wie du so etwas kannst, aber deine Geschichten sind richtig gut!

    • Welche Einblicke? Und ob ein Roman wirklich was verarbeiten kann, denke ich nicht. Anreißen vielleicht. Aber ich weiß nicht genau, worauf du anspielst.

      • Diese ganze Grundkonstellation. Ein erfolgloser Musiker will berühnt werden und von seiner Kunst leben können.
        Da kommt – wie Jay gegen Ende ja die Idealvorstellung ausformulierte – ein Mann in die Bar und bietet seine Dienste als Promoter an. Der Aufhänger für den Roman.

        Und nackig wird sich dann ja auch gemacht, auch wenn es wenig nützt bzw. noch schädigt.

        Ich musste während des Talks immer wieder an den Roman denken und bin davon ausgegangen, dass es sich auch für dich aufgedrängt haben müsste.
        Auf die Fortsetzung bin ich insofern gesoannt, ob Timotheus weiter seibe Kunst verfolgt oder in Anbetracht der Kage doch wirklich Geld verdient.

        • Ah, jetzt verstehe ich. Ja richtig, das ist der Mythos, von dem jeder träumt und den kaum einer erlebt. Der Gegenentwurf wird uns ja auch thematisiert: dass einer für seine harte und gute Arbeit angemessen entlohnt wird, einfach weil es gute Arbeit ist. Und auch das erlebt nur eine Minderheit. Hast Recht, ich hätte auf den Roman verweisen können. Es ist mir ganz ehrlich nicht eingefallen.

          • Jetzt musste ich glatt schmunzeln, aber das hattet ihr ja auch thematisiert: Was interessiert mich meine Platte vom letzten Jahr? 😀

            Und zum „Verarbeiten“: Irgendwie hatte ich fast damit gerechnet, dass dich das triggert.
            Einigen wir uns darauf, dass du es im Wort Sinne in deinem Werk eingewoben hast, ohne natürlich je darüber hinweg gekommen zu sein 😉

          • Absolut. Kunst ist Beschäftigung mit der Wirklichkeit anhand ästhetischer Mittel. Ich habe mich mit dem Thema beschäftigt. Aber nicht verarbeitet. 🙂

          • Achso: Ich meinte jetzt jedenfalls nicht, dass du dich selbst darin „verarbeitet“ hättest oder habe ich mich endgültig verrannt?

  4. Hallo Cobains Erb*innen, hallo Ihr 4 Talker!
    Ich habe den Talk bis auf eine Ausnahme genossen.
    Übrigens verstehe ich bis heute nicht, dass das geile Album von Johannes Falk ‚von Mücken und Elefanten‘ gefloppt sein soll. Ich habe mehrmals verschenkt und ich finde darauf Lieder, die ins Herz gehen!
    Und was mir viel wichtiger als Kommerz ist, dass Texte, Lieder und Kunstwerke berühren, aufrütteln, hinterfragen und auch schocken!
    Klar, wenn man damit Geld verdienen muss, ist die Sache schwieriger.
    Was mich genervt war das einseitige
    Reden über Herrn Laschet! Ich bin kein
    Fan der CDU, aber da gab es nicht nur Herr Laschet, der schlecht performt hat, sondern es gibt auch Blender wie Herrn Söder, dessen Performance mich anwidert, Herrn Lindner und und und! Viele haben sich einseitig auf Laschet eingeschossen. Ein bisl einseitig, finde ich.
    Mir sagen die ganzen Parteien nicht mehr viel. Es gibt um Macht! Auch zunehmend in der Musikkbranche, den Medien und in den Großkirchen!
    Warum wollen wir Leute immer beeindrucken? Ich frage mich das selbst!
    Ich weiß, es war nur ein Randthema, aber es hat mich getriggert!
    Sören

    • Fair enough. Mag sein, dass wir uns haben ein wenig gehen lassen. Ich fand das Beispiel Laschet hilfreich als Symbol, der heute dies und morgen das sagt, um seinen Erfolg zu retten. Ich finde allerdings auch, dass Söder dasselbe hätte passieren müssen. Auch seine taktischen Manöver sind so durchsichtig wie nur irgendwas. Wie auch immer, wahrscheinlich hast du mit deiner Kritik Recht.

      • Da sind wir im Bereich der „Performance“.
        Auch wenn 2 Künstler „dasselbe“ machen, kommt der eine beim Volk eben besser an.
        Laschet ist rhetorisch schwach und Söder ist einer der größten Polit-Rhetoriker, die es aktuell gibt.

        • Hey Gofi!
          War ja wirklich nur ein Randthema!
          Viel schöner finde ich ja, dass ihr Vier für mich Männer seid, die authentisch vorangehen und das Thema Scham und Schwäche angehen und ehrlich darüber reden. Und eins habt ihr alle gemeinsam, ihr inspiriert, ermutigt und fordert mich im Positiven heraus!
          Ich habe vor Kurzem einen roten Hammer im Bus baumeln sehen und habe sofort an Dein Lied gedacht! (Wo der Hammer hängt) Sowas macht Freude!
          Ganz liebe Grüße
          Sören

  5. Jetzt komme ich mit diesem „ich bin immer nur stille Zuhörerin und kommentiere eigentlich nie“-Mist. Aber was solls …
    Ganz ohne die anderen Kommentare gelesen zu haben, sind beim Hören zwei Punkte in mein Hirn geschlüpft, die ich jetzt doch mal nicht für mich behalten möchte:
    1. Ich würde richtig gern ausprobieren, was passiert, wenn ich als Hobby-Künstlerin ein Lied veröffentliche und es überhaupt nicht promote. Vermutlich bleibe ich bei 2 views oder so (meine eigenen 😉 Aber wer weiß …
    2. Was würde ein bedingungsloses Grundeinkommen für Künstler:innen bedeuten? Wollt ihr mal darüber reden? Nachdem zum wiederholten Mal das Thema „kann ich von meiner Kunst leben“ aufkam.
    Liebe Grüße
    Sue

  6. Hallo ihr,
    habe ENDLICH euren Talk nachgehört, er stand schon lang auf meiner Liste. Vielen Dank für diese Folge!
    @Jay: Als du immer auf dem Thema „Aber es gibt doch Leute, die nicht merken, dass sie peinlich sind“ rumgeritten bist, musste ich an Florence Foster Jenkins denken. Kennste die? Über sie gibt es einen Film mit Meryl Streep. Falls nicht, muss du die unbedingt mal googlen! 😉
    Liebe Grüße, Anne Renée

  7. Hallo zusammen! Ich möchte eine Lanze brechen für ein Leben ohne Social Media. Ich bin bei Insta seit nem knappen Jahr draußen, auch bei Facebook bin ich nicht mehr. Twitter sowieso nicht, davor hatte ich schon immer Angst.

    Ich kann sagen, dass ich genau NICHTS Wichtiges verpasse. Einmal am Tag Tagesschau reicht mir als Infoquelle und wenn ich wissen möchte, wie es jemandem geht, frage ich.
    Ich ärgere mich seitdem weniger über die Menschheit, das ist mein Gewinn.

    Natürlich müssen Künstler in der Lage sein, ihre Arbeit zu präsentieren, vielleicht ist das aber auch über eine gut gepflegte Website möglich, auf die man verweisen kann.

    Also als Privatperson kann ich sagen: ein Leben ohne Social Media ist sowohl möglich als auch angenehm. Das wollte ich nur kurz bezeugen.

    Gruß, Johanna

    • Danke für dein Testimony, Sister! Was mich als Privatmensch angeht, würde ich dir sofort nacheifern. Der Künstler in mir zögert und geht gerade wieder in die andere Richtung. Schwierigschwierig.

      • Es gibt sicher (wie immer und überall heutzutage) kein Richtig oder Falsch, denn grundsätzlich machen ja auch alle, was sie möchten.

        Dass du zwischen dir als Privatperson und dir als Künstler recht deutlich unterscheidest und dich ja auch deutlich unterschiedlich verhältst, finde ich spannend.
        Mögen die beiden verschiedenen Gofis sich? Saufen sie regelmäßig gemeinsam? 🙂

        Jaja, es ist alles interessant.
        Viel Erfolg dir! Ob nun mit oder ohne Social Media!
        Die Frage darf immer lauten: wer dient hier wem? Und solange das klar ist, ist ja auch eigentlich alles klasse :-)!

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