Wir sind endgültig angekommen im Zeitalter der Metaperspektiven. Fast kein popkulturelles Werk kann es sich verkneifen, nicht einfach nur als Selbst zu existieren. Nein, gefühlt überall kommt eine zweite Ebene hinzu: die Metaebene. Darin trifft das Werk eine Aussage über sich selbst. Oder die Kunstschaffenden bauen einen Hinweis über ihren eigenen Bezug zum Werk ein. Oder das Werk schreit: „Jede eurer Deutungen nehme ich vorweg, damit es keine bösen Überraschungen gibt!“. Metaebenen machen verdammt viel Spaß. Doch sie haben einen großen Haken …
Das Medium wird Teil der Erzählung
Ich weiß nicht, ob ich es damals so richtig durchschaut habe, als ich als Kind das erste Mal die mäßig gealterte Robin Hood-Verfilmung Helden in Strumpfhosen von Mel Brooks gesehen habe. Zu Beginn des Films werden Strohdächer abgebrannt, weshalb sich eine Gruppe von Menschen lautstark beklagt, dass ihr Dorf im Vorspann jeder Robin Hood-Verfilmung abgefackelt wird. Später kracht ein Kamerakran sichtbar durch ein Schlossfenster. Und zum Ende des Films stößt ein Geistlicher mit seinem Krummstab an die Kamera, woraufhin er sich kleinlaut entschuldigt.
Als ich als Teenager mit ein paar Kumpels Michael Hanekes Funny Games schaue, dämmert es mir schon eher. Die Antagonisten sprechen direkt in die Kamera zu den Zuschauenden. In einer Schlüsselszene wird der Film sogar zurückgespult, um einen anderen Ausgang zu ermöglichen. Unser Sehverhalten und unser Hang zum Voyeurismus wird entlarvt. Das Medium selbst ist Teil der Erzählung – und weiß das auch.
Willkommen in der Postmoderne!
Diese Art von Metakommentar ist sicherlich kein künstlerisches Phänomen der Gegenwart, sondern findet sich in vielen Werken der Postmoderne wieder. Der pluralistische Ansatz dieser Strömung spiegelt sich eben auch in der Darstellung der unterschiedlichen Realitäten wider – die eine Wahrheit gab es nie, künstlerisch erschaffene Illusionen werden bewusst durchbrochen, der Blick hinter die Kulissen wird der Erzählung fast schon obligatorisch hinzugefügt.
Das passiert in und auch jenseits der Massenmedien. Etwa, wenn sich Paul Auster in seinem Roman Stadt aus Glas selbst als Figur einbaut. Ähnlich wie die deutschen Popliteraten rund um Sibylle Berg oder Benjamin von Stuckrad-Barre, die damit Roland Barthes‘ Der Tod des Autors gehörig den Mittelfinger zeigen. Auch René Magrittes La trahison des images ist ein Kunstwerk mit Metaebene.
Genauso das selbstreferenziell vollgestopfte und gehörig missglückte Sequel zur Matrix-Trilogie, das sein Vermächtnis mit dem Arsch wieder eingerissen hat, weil es sich selbst zwar seziert, aber keine neuen Ideen mehr hat. Werke mit eingebautem Metakommentar gibt es mittlerweile wie Sand am Meer. Selbst She-Hulk aus dem Marvel Universum gehört dazu. Dort beschwert sich die Protagonistin zwischendrin beim Autor*innen-Team und nimmt damit Einfluss auf den Plot.
Warum wird alles meta?
Mit dem Einbruch der dekonstruktivistischen Ära, in der wir uns gerade befinden, wuchs auch der Wunsch, Kunst und Kultur mit einer neuen Perspektive zu versehen. Eine Art Behind-the-Scenes, die schon in das Werk eingebaut wird. Und das hat durchaus seine Berechtigung. Die Filme von Mel Brooks oder dem legendären Trio Zucker-Abrahams-Zucker (Die nackte Kanone, Hot Shots) führen nicht nur bekannte Plots ad absurdum und zelebrieren den Nonsense, sie treffen auch eine sehr befreiende Aussage: „Alles, was du hier siehst, ist Illusion.“ Je nach Ansatz ein bissiger Seitenhieb oder eine waschechte Kriegserklärung an die Traumfabrik.
Und dann gibt es da noch die Reflexionsebene. Fast so, als wäre die Kunst erwachsen geworden. Der ersten Ebene „Ich bin“ wird eine zweite hinzugefügt: „Und so könnte ich aufgefasst werden“. Und hier beginnt der Sprung in den Kaninchenbau, denn es lassen sich beliebig viele Metaebenen hinzufügen. Bo Burnham hat in seinem großartigen Netflix-Special Inside den Humor, die Eigenart und die Problematik von (zu vielen) Metaebenen perfekt auf den Punkt gebracht:
Diese Art Selbstreflexion ist an sich brillant. Und das hat einen ganz einfachen Grund: in unserem Bestreben nach Akzeptanz und Harmonie ist es durch diese Metaebenen ganz einfach, potenzieller Kritik den Wind aus den Segeln zu nehmen. Eine Technik, die Marco Michalzik im Vorwort seines Lyrikbands Alles wird ein bisschen anders fabelhaft anwendet: „Dieses Buch hält sich für clever, weil es vorwegnimmt, was Kritiker sagen könnten und glaubt, ihnen damit Wind aus den Segeln nehmen zu können. Dieses Buch hält sich für superclever, weil es vorwegnimmt, dass es vorwegnimmt, was Kritiker sagen könnten und glaubt, ihnen damit Wind aus den Segeln nehmen zu können.“
Dieser Kniff hat allerdings auch seine Grenzen.
Der große Haken: Selbstreferenzialität rechtfertigt nicht faule Kunst
Potenzieller Kritik zuvorzukommen ist allerdings kein Freifahrtschein, alles zu tun, was man möchte, solange man aufzeigt, dass man sich dieses Umstands bewusstwird. Genau dieser Konflikt wird in der Netflix-Serie BoJack Horseman prägnant kommentiert: “I know I’m a piece of shit. That at least makes me better than all the pieces of shit that don’t know they’re pieces of shit. Or is it worse?“. Und genau das ist die Krux: wird etwas besser, wenn man benennt, dass es nicht gut ist?
Im Hinblick auf die Film- und Serienwelt erhärtet sich für mich mittlerweile stark der Verdacht, dass der Meta-Kniff genau das geworden ist – eine schwache Ausrede für lazy writing. Als würden Autor*innen sagen: „Ja, wir wissen, dass das trashige Scheiße ist, aber wir sagen ja auch, dass es trashige Scheiße ist, also ist es doch insgesamt keine trashige Scheiße mehr“. Und das ist ein Fehlschluss. Trashige Scheiße bleibt trashige Scheiße, egal, ob das den Macher*innen oder dem Werk bewusst ist. Das verhält sich wie bei der Vokuhila: kann man ironisch tragen, sieht aber trotzdem beschissen aus.
Wo führen uns die Metaebenen hin?
Was machen wir also mit dem x-ten Teil der Scream-Reihe, der selbstreferenziell Aussagen über ermüdende Sequels trifft? Mit Asteroid City von Wes Anderson, in dem wir ein Theaterstück über einen Drehbuchautor sehen, der ein Theaterstück schreibt, das dann als Film dargestellt wird? Oder die Deadpool-Filme, in denen Ryan Reynolds permanent das Geschehen aus einer popkulturellen Sicht heraus kommentiert?
Naja, wir können das alles, sofern es gut gemacht ist, genießen und herzhaft darüber lachen – oder uns mit dem Subtext des Werkes konfrontieren lassen. Metaebenen können einen extremen Mehrwert haben und viel mehr über unsere Welt aussagen als die reine „Sachebene“ des Werkes.
Und trotzdem wage ich die Prognose, dass uns eines Tages jede neue Metaebene zum Hals raushängen wird. Und das wird der Moment sein, in dem sich die Erschaffer*innen von Filmen, Büchern, Games und Gemälden nicht mehr darum scheren, wie sie wahrgenommen werden. Sondern sie uns einfach nur überreichen mit der Frage: „Und? Was macht das mit dir?“
Wartet auf uns die neue Ernsthaftigkeit?
Zugegeben, das klingt wie eine Rückbesinnung auf vergangene Zeiten. Aber dass sich dieser Trend, der sich vor vielen Jahren bereits unter Begriffen wie New Sincerity bemerkbar machte, zukünftig etablieren könnte, halte ich nicht für unwahrscheinlich. Die Sehnsucht nach der Ernsthaftigkeit der Dinge wurde von Metaebenen vielleicht vorübergehend ironisch ausgeknipst – aber ich glaube, sie wird umso stärker zurückkommen.
An Tagen, an denen jeder ironische Seitenhieb geäußert, jedes Werk bis zur Selbstaufgabe durchreflektiert, jede potenzielle Metaebene entschlüsselt und abgekultet wurde, wird sich der Wunsch regen, dass Dinge einfach wieder existieren dürfen.
Ohne, dass sie ihre eigene Existenz einordnen oder bewerten müssen.
Und vielleicht sagt dieser Wunsch am Ende gar nicht mehr so viel über die Kunst aus, die wir konsumieren – sondern viel mehr über unser eigenes Leben.
…Mal auf der metaebene betrachtet 🙂
ne Quatsch: bärenstark