Jasmin Brückner: Wir werden uns ein Zuhause bauen müssen

Wir werden uns ein Zuhause bauen müssen.
Dauerlösungsartig in Übergangsgefilden
zwischen Spalten, Abhängen und Andersartigem,
oben entlang der Kondensstreifenlage,
unten klebend auf Geröll und Absätzen,
dort, wo wir nie wohnen wollten, zumindest dachten wir das –
dort werden wir uns ein Zuhause bauen.

Wir werden Fasern sammeln und Splitter,
mit feingliedrigen Händen Bruchstücke zusammentragen
und in Hütten zusammenlegen.
Wir werden uns überschlagen dabei und aufreiben,
wir werden nervös und aufgeregt fröhlich wippend
zusammensuchen, kratzen, halten, staunen, ermüden, auferstehen.
Wir werden die Hände in Regenwasser waschen müssen
und nicht wissen, was es heißt, Verortung zu kennen.

Wir werden uns ein Zuhause bauen müssen.
Von dort aus beobachtend auf feuchtem Boden sitzend
wird es uns tageweise gelingen,
die Welt vorüberziehen zu lassen.
Anderntags wird es uns überregnen, durchschneien, einsonnen,
und wir werden es über uns ergehen lassen.
Das ist das Leben derer in den Rillen, Fugen, Gräben.
Wir werden sitzen und lächeln, halb zumindest,
werden es geschehen lassen,
wissend, dass es wichtig ist:
da so zu stehen. Zu leben.

Wir werden uns ein Zuhause bauen müssen.
Es wird ein anderes sein, als wir uns vorgestellt haben.
Dort werden wir leben.
Es wird unseres sein, und das der anderen.
Wir, alle zusammen
aufgeöffnet dem Himmel entgegen.

(Foto: Gabrielle Nobre, Nobre Photography)

Gelesen von: Elmar Loos.