Micha Kunze: Irgendwas ist immer

Komm, lass noch mal die Dias holen.
Auch wenn‘s die schon nicht mehr gab, als wir noch jung waren.
Wirf den Projektor noch mal an,
und lass die Dinge jetzt verstehen, die wir verkannt haben.
Auch wenn wir die längst verbrannt haben.

Lass mal nicht von heute reden,
wenn’s nichts Richtiges zu reden gibt.
Das wird wie damals, haben sie gesagt,
obwohl’s viel weniger zu leben gibt.
Dann eben nicht.

Da ist ein Schimmer von „lass alles andere Mal draußen“.
Wer hat gesagt: „Es gibt nur uns und das genügt“?
Zwischen Lachen finden Tränen ihren Platz
in einer Zeit, wo’s keine Räume gibt.

Ich sag dir noch mal, dass alles gut wird.
Doch das sag ich vor allem zu mir selbst.
Und das macht’s irgendwie noch schlimmer.
Irgendwas ist immer.

Die Welt hat nicht danach gefragt,
lass uns Gedichte schreiben,
um uns selbst zu verstehen,
doch auf den leeren Seiten
dokumentier’n wir Scheitern.

Was soll man machen.
Komm lass die Glut in der Tonne neu entfachen.
Einfach um zu sehen, was dann passiert.
Kostet nur ein halbes Leben
zu kapieren,
dass dort nur Schnee drin liegt.

Komm lass, auch wenn das alles
keinen Sinn mehr macht
noch ‘n kleines bisschen graben.
Vielleicht kommt nach paar Metern ja etwas,
das noch Bestand hat.
Irgendwie ‘ne Art Erkenntnis,
die ich noch nicht gekannt hab.

Ich sag dir noch mal, dass alles gut wird.
Doch das sag ich vor allem zu mir selbst.
Und das macht’s irgendwie noch schlimmer.
Irgendwas ist immer.

Komm lass die alten Zimmer,
in denen wir groß geworden sind besuchen.
Und verstehen, dass wir heut anders sind.
Und dann vergessen,
dass der Blick ins Gestern
eh nichts bringt.

Ey lass im Keller deiner Eltern
noch mal schlechte Filme schauen.
Bis wir müde werden, auch wenn das heute nur paar Stunden sind.
Auf dem alten Sofa noch ‘ne Runde ziehen,
Eistee im Tetrapack, Tonic und Gin.

Lass kurz erinnern
wie es war,
damit wir seh’n was wir jetzt brauchen.
Unser Tabak ist aus Dynamit.
Wir drehen ihn ein, gehen unsere Pläne rauchen,
bis daraus irgendwann mal Glut wird.

Ich sag dir noch mal, dass alles gut wird.
Doch das sag ich vor allem zu mir selbst.
Und das macht’s irgendwie noch schlimmer.
Irgendwas ist immer.

Bitte gib mir noch einen Moment,
ich komm‘ gerade nicht mehr mit.
Das tut mir leid.
Wollte immer über Dingen stehen,
aber ich bin nicht soweit.
Aber es wär an der Zeit.

Lass mich n‘ kleinen Augenblick
noch ein bisschen kämpfen,
das wird mir alles grad zu viel.
Halt meinen Kopf an.
Mein Fühlen kommt nicht hinterher.
Jemand sagt, dass das schon wieder wird,
aber das stimmt nicht mehr.

Tausend Mal drüber gesprochen
aber Veränderung ist Teer.
Wie lang ist’s her,
als mal nichts war?
Steh mit Granitfüßen da
und schau von unten auf das Meer.

Ich sag dir noch mal, dass alles gut wird.
Doch das sag ich vor allem zu mir selbst.
Und das macht’s irgendwie noch schlimmer.
Irgendwas ist immer.

Fühlt sich an wie der letzte Akt.
Noch mal Luft holen,
dann geht’s hinab.
Zwischen erinnern was ich eigentlich hab
und was ich eigentlich brauch.
Komm zum Luftholen rauf,
aber das Wasser brennt.
Fühlt sich alles so falsch an,
wenn man zu viel fühlt
im falschen Moment.

Die Schwerkraft irgendwie doppelt so stark.
Meine Schreie prallen an meinen Mund.
Und alles ist plötzlich so schwer,
atme Wasser wie Luft,
und steh auf dem Grund.

Manche schlucken bittere Pillen,
morgens rot und abends blau.
Hab die Farben verwechselt,
meine Gedanken bleiben grau.
Meine Gedanken bleiben schwarz,
manchmal bleiben sie auch aus.
Hier unten ist es still und kalt.
Hier unten bin ich zu Zuhaus‘.

Paar Sachen werden gut
Ein paar werden nur schlimmer
Dreh die Schallplatte um
Irgendwas ist immer.

Dreh die Schallplatte um
Irgendwas ist immer.

Bald wieder besser, nicht schlimmer.
Irgendwas ist immer.

Micha Kunze
Micha Kunze

Micha Kunze ist crossmedialer Redakteur, Autor, Lyriker und Spoken Word Artist. Geboren und aufgewachsen in Bietigheim-Bissingen lebt er derzeit nach dem sehr erfolgreichen Abschluss des Masterstudienganges „Theorien und Praktiken professionellen Schreibens“ an der Universität zu Köln ebendort.

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