Tabitha Hanan: Innenleben

Ich greif mir tief in den Hals, pack feste zu und ziehe dich heraus.
Du hast dich eingraben, in meine Organe festgesetzt. Doch jetzt musst du raus. Lange genug hab
ich mich mit dir abgegeben.

Ich ziehe hartnäckig Stück für Stück an dir. Doch du wehrst dich, widerstrebst meinem Griff.
Meine Organe stoßen dich ab. Dein Griff wird lockerer, deine eisigen Finger gleiten an meinen
Innenwänden ohne Halt. Erste Anzeichen vom Ende eines langen Kampfes.
Ich und du, wir kennen uns schon lange. Wie oft ich versuchte, dich loszuwerden?
Ich habe aufgegeben, zu zählen.

Dein Griff lockert sich. Ich ziehe fester.
Es kommen die Hände zuerst, dein Arm folgt. Alles ist beschmiert, dreckig, es riecht faulig.
Dann der Kopf. Es folgt der Rumpf. Du bist groß, mein Mund ist weit aufgerissen, ich atme
erstickt.

Irgendwann ist es geschafft.
Alles von dir ist raus, den letzten Fuß hab ich ausgespuckt.
Ich hole tief Luft, schaue dich an.
Endlich bist du nicht mehr Teil von mir.

Tabitha Hanan
Tabitha Hanan

Tabitha Hanan ist Autorin, Lyrikerin und Spoken Word Artistin. Aufgewachsen in Ägypten, bringt sie eine globale Perspektive in ihre Werke mit ein. Derzeit lebt und arbeitet sie in Berlin.

Ein Kommentar

  1. Oh ich fühl’s voll, ein krass starkes Bild mit dieser rum gedrehten Geburt, feiere sehr das Frei werden dabei! Ein großartiger Text!

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