Todessehnsucht in Badehosen – Warum wir ‚300‘ für einen neofaschistischen Scheißfilm halten

An Zack Snyders Film ‚300‘ (von 2007) scheiden sich die Geister. Die meisten (männlichen) Fans mögen ihn als Schlachtenspektakel in beeindruckender, wenn auch ziemlich künstlicher Optik. Andere, wie zum Beispiel wir, verachten ihn. Jay ist von dem schwülstigen Erzählton und der inhaltlichen Banalität genervt. Gofis Kritik ist vor allem politisch: Ganz bewusst setzt der Film Bilder und Motive ein, die auch aus dem Faschismus bekannt sind. Wir analysieren den Film genauer, wobei wir nicht umhin können, hin und wieder ausfällig zu werden. Wir widmen uns ‚300‘, weil wir damit einerseits ein Versprechen einlösen, das wir vor der Sommerpause gegeben haben. Andererseits ist der Film, so schlecht er auch ist, tatsächlich relevant, weil er einem neorechten Publikum ein passendes Narrativ für ihre politische Agitation liefert. Aber hört selbst.

In dieser Episode erzählt Jay von einem ziemlich beeindruckenden ‚Fan Edit‘, einem inoffiziellen Zusammenschnitt aus den Kinofilmen ‚Darkest Hour‘ und ‚Dunkirk‘, die gemeinsam den neuen Film ‚Finest Hour‘ ergaben. Ihr findet ihn hier.

Wir sind nicht die einzigen, die Zack Snyders Bildsprache kritisch sehen. Eine Kritik auf Moviepilot von vor neun Jahren hat auch seinen Watchmen-Film wesentlich kritischer gesehen als wir. ‚Zack Snyder – Faszination für faschistische Ästhetik‘ könnt ihr hier nachlesen.

Jay ist übrigens neulich wieder bei ‚Popcorn Culture‘ aufgetreten, deren Co-Host er jetzt auch ist. Manu Schmid und er reden über die Serien ‚The Rings of Power‘ und ‚House of the Dragon‘. Ihr könnt ihr rein hören.

14 Kommentare

  1. Hallo!

    Bei House of the Dragon gibt es gar keine schwarzen Tagaryens! Die sind Velaryons! Die sind ein älteres Haus, hatten aber nie Drachen und sind daher nicht die Chefs.

    Ich habe Auszüge aus 300 neben Szenen aus anderen Filmen (Herr der Ringe, Dracula) auch bei der IB gesehen. Die IB ist mittlerweile gescheitert, da Sellner von Youtube runtergeworfen wurde. Sellner selbst hat sein Scheitern erklärt: https://www.ruhrbarone.de/setzt-martin-sellner-jetzt-auf-linke-identitaetspolitik/202024/ Die sind genauso tot wie die Piraten-Partei. Die internetbasierten Bewegungen der jüngeren Generation der letzten 15 Jahren habe alle nur zu kurzlebigen Hypes geführt.

    An dem Leonides-Denkmal an den Thermopylen von 1955 ist kein Lambda auf dem Schild des Königs. Wie historisch ist das eigentlich?

    300 hatte aber auch lustige Memes angeregt: https://www.youtube.com/watch?v=rvYZRskNV3w Leider seid ihr darauf gar nicht eingegangen.

    Die Tänze der Orakel-Frau wurden unter Wasser gedreht.

    Alles Gute!

  2. Hey Erben,

    Film-Folge? Die wird immer sofort gehört! 🙂

    Vielleicht erinnerst Du dich, Gofi: Du hast den Film damals schon, als er in die Kinos kam, auf deinem Blog als faschistisch bezeichnet und ich habe in den Kommentaren eine kleine Diskussion dazu gestartet.
    Naja, ich war halt ein 20jähriger Mann und es noch nicht gewohnt, dass die Sachen, die ich gut fand, unter Umständen problematisch sein könnten… und sehr schnell kommt man in so eine Rechtfertigungshaltung, weil man sich angegriffen fühlt. Als ob die Tatsache, dass ich „300“ mal gut fand (weil ich Gewaltfilme halt gut finde – und die Ansprüche nicht sehr hoch waren) mich auch zu einem Faschistoiden gemacht hätte.
    Aber zum Glück reift man ja noch etwas nach mit den Jahren. 😉

    Der left-Tuber Big Joel, der auch viel über Kunst, Medien und Social-Media-Themen spricht, hat zu „300“ und die Reaktion derer, die sich angegriffen fühlen, ein gutes Video gemacht:
    https://www.youtube.com/watch?v=hEMqTPUWXqw

    Wen es interessiert, welche Tropes die Nazis in ihren Propagandafilmen immer wieder verwendet haben, denen empfehle ich die Dokumentation „Hitlers Hollywood“ von 2017.
    Todessehnsucht, Sterben fürs Vaterland und – na klar! – eindeutige Feindbilder tauchten immer wieder offensichtlich, aber auch versteckt in den deutschen Filmen zwischen 33 und 45 auf.
    Hier der Trailer:
    https://www.youtube.com/watch?v=JL9yV3p0kw4

    Grüße
    Gerrit

    P.S:
    Eine Folge zu antisemitischen Motiven in Filmen fände ich sehr spannend!

  3. Geschichten transportieren Blutrauschideologien, gefrieren sie unter der Eisdecke der Geschichte ein, auf dass sie irgendwann wieder gedeihen, das sehe ich auch so. Aber sollte man diese Zeitdokumente nicht bewahren um zu zeigen, zu was Schlimmen der Mensch fähig ist? Die richtige Kommentierung, Bildung und Darstellung (wie z.B. Darkest Hour, Dunkirk…)

    Ich finde, ihr habt echt nen schönen Ton, der ne gute Musik macht. Ihr sprecht Dinge aus, die ich durchgemainstreamter erst ma schockierend und shitstormwürdig finde, aber es schafft ne schöne Reflektionsebene. Wisst ihr was ich meine?

    Zum Thema Freiheit denke ich, es sollte irgendwas zwischen einer Abwehr einer“Freiheit von der Freiheit“ wie in Saudi Arabien/China/etc. und einem „Die Rechte des einen enden dort, wo die Rechte des anderen beginnen!“ sein…

    Antisemitismus bei dem Paten, bei den Simpsons, in der Linken, in islamischer und christlicher Kunst und Geschichte (für Gofis Themensammlung)….

  4. Menschenskinder, ich mag es, wenn ihr über den „Scheiß“ labert!
    Und noch mehr, wenn ihr den Scheiß scheiße findet!
    Für mich schon jetzt der „Talk des Jahres“.
    Vor rund einem Jahr habt ihr mich von der Graphic Novel überzeugt. Schon n Haufen Zaster für diverse Anschaffungen verjubelt.

    Ich hatte „300“ bis gestern tatsächlich nur auszugsweise gesehen! 😀
    Das erste Mal in der Historie von Cobains Erben habe ich eine Folge übersprungen (Documenta wird aber nachgeholt!).
    Gofi hat ja mal eine ganze Folge lang darüber geredet, dass er es doof findet, wenn Kunst predigend wahrgenommen wird und hat bei „300“ die Jay-Brille aufgesetzt und uns ganz freiwillig verraten, was der Künstler mit seinem Werk aussagen möchte, auch wenn er das zum Schluss wieder ein bisschen einfängt. Ja, ist denn die Hosarchie ausgebrochen? 

    Ich mag Zack Snyder nicht zwingend, halte ihn aber für einen Regisseur, den mal als Kinoliebhaber im Auge behalten sollte; zumal er meistens sehr diskutable Werke schafft.
    Ein Regisseur, mit dem man sich auseinandersetzen kann. Ich finde ihn dann am besten, wenn er einfach inszeniert statt Charaktere und Motive aufzubauen. So war die Eingangssequenz zu „Army of the Dead“ (Viva Las Vegas) unglaublich schwungvoll inszeniert; die Geschichte danach war … mindestens anstrengend.

    Ich sehe es beim Kino wie beim Essen. Ab und zu schadet es keinem, wenn ich doch der Einfachheit halber zu McDonalds gehe, auch wenn ich das Geschäftsmodell an und für sich nicht mag.
    Und in dieser Hinsicht ist Zack Snyders 300 für mich dann doch unschlagbar. Du bekommst das, was du bestellst – und noch ne Schippe mehr davon!
    Wenn ich Lust auf tiefgründigere Erzählungen habe, weiß ich auch, wo ich zulangen muss.
    Dass andere aus der Symbolik des Films eine politische Vereinigung gezimmert haben, interessiert mich dabei herzlichst und herzlos wenig. Wie Jay am Ende selbst augenzwinkernd zugegeben habt: „Da habt ihr 300, nehmt mir wenigstens nicht Fight Club.“

    „300“ fällt für mich somit in die Kategorie „Exzesskino“ wie z.B. zuletzt auch „RRR“ aus
    Netflix´ Tollywood-Abteilung, der einen ähnlich problematischen Nationalismus propagiert. Kann ich zum Genuss des Spektakels vollkommen ausblenden. Hauptsache es wummt und knallt.
    Und ich kann diesen Film von Minute zu Minute auch nicht ernst nehmen. „O höchster Gott, Xerxes. Ich kann mein Knie nicht beugen, da ich beim Töten eurer Manne einen Krampf im Oberschenkel habe.“ Hach, ich kann da nur noch lachen und musste dann auch noch unwillkürlich an Jesu Versuchung in der Wüste denken.
    Und das ist für mich die größte Stärke des Films. Die Komik im Comic quasi.
    Der Film nimmt sich so ernst, dass ich ihn nicht mehr ernst nehmen kann. Aber eine ironische Brechung hätte dem Film das Genick gebrochen.
    In einem eurer ersten Cobains Gespräche seid ihr auf die jungen Künstler zu sprechen gekommen, die sich erstmal nackig machen und den anderen zeigen, was sie zu bieten haben.
    Zwar war Snyder bei der Entwicklung des Films schon um die 40 Jahre alt, aber war es nach „Dawn of the Dead“ erst sein zweiter Streifen. Und für mich schwingt hier klar die New Hollywood (90er) Attitüde mit. Nachdem Ridley Scott mit Gladiator den Sandelenfilm wieder gangbar gemacht hat, haben die nachfolgenden Genrebeiträge „Troja“ und „Alexander“ das erhoffte Revival wieder zunichte gemacht. Zack Snyder reitet die auslaufende Welle und es ist wohl nicht zuletzt „300“ zu verdanken, dass es Metzelserien wie „Spartacus – Blood an Sand“ gibt.
    Der Einsatz von Zeitlupe und Zeitraffern wurde davor und danach nie wieder so effektiv eingesetzt.

    Insofern erinnert mich „300“ auch an die Band „Rammstein“, die interessanterweise auch die Riefenstahloptik (kommt eigentlich nicht von Riefenstahl, sondern ihren Editor – andere Geschichte) aufgreifen. Rammsteins erste Platte „Herzeleid“ war genauso „mitten in die Fresse“ wie 300, bevor die späteren Platten dann subtil-offensichtliche Brechungen mit einbrachte.
    So könnte man wunderbar ein Musikvideo aus Rammsteins „Der Meister“ (2. Lied der Platte) und „300“ basteln.
    „Weil der Meister uns gesandt,
    verkünden wir den Untergang.
    Es wird kein Erbarmen geben.
    Lauft, lauft um euer Leben.

    Die Wahrheit ist wie ein Gewitter
    ….“

    Selbstredend könnte man auch noch an Manowars „Warriors of the World“ denken.
    Zu Rammsteins „Los“ gibt es tatsächlich ein Videoverschnitt mit 300-Kampfszenen.
    Link: https://www.youtube.com/watch?v=5qvdbyRH9wA

    Sooo…kommen wir mal zum eigentlichen Kommentar.

    Zur „Ehrenrettung“ dieses Machwerks habe ich dennoch noch ein paar Punkte, die in eurem höchst interessanten Gespräch nicht vorkamen, anzumerken.
    So werde ich zunächst auf den versteckten Feminismus in 300 zu sprechen kommen, dann über gallische Dörfer nachdenken und in Ergänzung zu eurem Gespräch auf „Querdenken und Co.“ zu sprechen zu kommen.

    1. Doch zunächst noch ein Wort dazu, an welcher Stelle mich der Talk so richtig gepackt hat.
    Gofi kommt auf die Szene mit den Augen zu sprechen und ich muss nicht mal ins Netz nachschauen, um zu wissen, welche Plakate er meint.
    Frappierend! Wäre mir nie im Leben aufgefallen.
    Und selbst wenn es Zack Snyders eigene Idee gewesen wäre oder er den Bezug nicht gekannt hat, schon sehr gruselig.
    Nach diesem Moment konnte ich mich auch mehr auf die kritisierten Punkte einlassen.
    Sehr stark herausgearbeitet empfand ich dann noch die Notwendigkeit von Geschichten (Irgendwann kommt ihr sicher darauf zurück, warum und wozu wir Geschichten erstellen und konsumieren) und wie dies im Film selbst thematisiert wird.

    2. Wie steht 300 zu den Frauen?
    Zunächst kommt der Eindruck auf, dass die stets bildhübschen Frauen (Wie schaffen die das nur, das schon von der Geburt an zu sehen, aus welchem Entlein der prächtige Schwan wird?) reine Gebärmaschinen, die ihre Sexualität als Wonne für und Waffe gegen die Männer einsetzen.
    Im Film kommen zwei Frauen vor.
    Das zugedröhnte Orakel von „HochobenaufdemBerg“ kann man hier getrost vergessen.
    Somit verbleibt Leonidas Gattin.
    In einer der ikonischsten Szene (THIS IS SPARTA!) schaut Leonidas vor seinem Eklat zurück zu seiner Frau, die ihre Zustimmung zu geben scheint. An dieser Stelle lasse ich gerne mit mir diskutieren, aber nichtsdestotrotz wird der Blick deutlich gezeigt. Sieht für mich also erstmal nicht nach „Ugabuga, Ich bin der Mann und habe die Hosen an.“
    Dass Leonidas nur die Badehose an hat, mache ich zusätzlich an seiner Enttäuschung nach dem ablehnenden Orakel fest. Es ist nämlich seine Frau, die ihn – o ewige Eva voll der List – überredet, für die Freiheit gegen die Regeln zu agieren.
    Bei Gladiator ist es zum Schluss auch die Frau der zwei Streithamel, die als letzte lebend auf dem Schlachtfeld steht und bestimmt, wem Ehre zuteil werden soll (ihrem Liebhaber Maximus) und wem nicht (ihrem Bruder und Vater? (falls es nicht doch Maximus war) ihres Kindes).

    3. Wir lieben das gallische Dorf, aber hassen den Nationalismus.
    Anders betrachtet ist „300“ auch eine düstere Version von „Asterix“.
    Dort ist es ein sagenumwobener Trank und hier eine sozialdarwinistische Bestenauslese.
    Das Ziel ist jedoch dasselbe. „Lasst mich in meinem Wolkenkuckucksheim verdammt nochmal in Ruhe – oder ich mache euch platt!“
    Bemerkenswerterweise zeigt „300“ nie das zu schützende Vaterland. Und da es nur Krieger gibt, gibt es dort wohl gar keine Hochkultur. Das wird in der Szene deutlich, als Leonidas die Athener (oder Attiker?) fragt, welche Berufe sie ausüben. „Töpfer“ und „Bildhauer“ sind dort genannt worden. Die Spartaner haben nur Krieger, deren einzige Errungenschaft das Töten ist.
    Lakonisch könnte man das so zusammenfassen: „Sie wollen lieber für Ihre Heimat sterben, weil sie gar nicht wissen, wie man darin lebt.“
    Doch wird das dem politischen Diskurs um die Frage nach Heimat nicht gerecht. Vielmehr öffnet sich „300“ durch diese Leerstelle für mannigfaltige Zuschreibungen des Heimatbegriffes.
    Die beschauliche und überschaubare Welt in den – ebenfalls! – Comics rund um Asterix und Obelix regen gerade in der deutschen bzw. in der durch das Zeitalter der Romantik geprägten Seele Sehnsüchte. Die Frage, ob man Römer oder Einwohner des gallischen Dorfs sein möchte, ist schnell beantwortet. Bis man länger darüber nachdenkt.
    Sind es nicht gerade die Gesellen am rechten Rand, die vermeintlichen Alternativen, die ihren Kampf gegen „das System“ zur Bewahrung o.g. Heimat führen?
    Und Leonidas marschiert nicht – er spaziert. Dieser Ausschnitt ist tatsächlich auf Telegram erst vor ein paar Monaten in diversen Anti-Impf-Gruppen geteilt und entsprechend kommentiert worden.

    Solche „Underdog“-Geschichten mit Emotion und Herzschmerz sind eher in extremistischen Lagern beliebt, während sich „die Etablierten“ (ich verwende den Kampfbegriff zu einen des Kontexts wegen, zum anderen aus Ermangelung einer passenderen Umschreibung) eher auf Logik, Wissenschaft und vermeintliche Alternativlosigkeit stützen.
    Man hat es auf der Mehrheitsseite nicht nötig, solche Narrative aufzufahren.

    Die eigentliche Frage lautet, wie das gallische Dorf bzw. die Spartaner mit dem Rest der Welt in Frieden leben kann; die Versöhnung von Universalismus und Nationalismus.
    Und wie immer „schlagen ach zwei Herzen in meiner Brust.“

    Zack Snyder liefert zu dieser Fragestellung keine Antwort, aber vielleicht weist er uns – wenn auch unbeabsichtigt – ein stückweit auf das Problem hin.

    Das macht zwar noch keinen guten Regisseur aus, aber einen diskutablen.

    Nachklapp zu Gideons „300“ Mannen.
    Schade, dass ihr da nicht drauf eingegangen seid.
    Es gibt die Geschichte von 300 vs. Übermacht auch schon in der Bibel.
    Und es sind tatsächlich ganz genau 300 Israeliten, die das Wasser aus dem Jordan lecken anstatt es mit der Hand zu schöpfen.
    In der Kinderstunde wurde das immer sehr verklärt dargestellt.
    Mittlerweile bin ich davon überzeugt, dass die übrig gebliebene Fraktion die größten Honks waren und Gott bewiesen hat, sogar mit solch einer krummen Truppen den Sieg zu bringen. Eine Art Anti-300 also, aber das wäre ein anderes Mal zu diskutieren.

    • Hey Kriti-Sir,

      danke für den profunden Kommentar. Du sprichst viele gute Punkte an, mit denen ich mich gut identifizieren kann (ich gehe bei Filmen zB punktuell ebenfalls so vor, wie Du es mit McDonalds beschreibst – und beim Essen durchaus auch ab und zu 😉 ). Man muss nicht jede Knall- und Bum-Orgie zu Tode analysieren.

      Es schadet aber auch nichts, sich Gedanken darüber zu machen, was ein Film vorder- und hintergründig oder sublim für Messages kolportiert. Ich würde 300 deshalb nicht auf irgendeinen Verbotsindex setzen oder so – kritisch reflektiert werden sollte er aber allemal.

      Und ob er sich für den Schulunterricht eignet, würde ich klar verneinen.

      Deine Herleitung von Gladiator über Alexander bis 300 ist auch stimmig. Wo kommt der Film her? Das haben wir uns in der Hinsicht gar nicht angesehen. Danke für den Hinweis. Und die vielen anderen guten Gedanken.

      Übrigens lag mir während des ganzen Gespräches die biblische Geschichte von Gideons 300er Truppe auf der Zunge, aber irgendwie hab ich’s nicht geschafft sie unterzubringen. Auch hier, danke für deinen Nachtrag.

      LG,
      der Jay

    • Hey Kriti-Sir, danke für deinen ausführlichen anregenden Kommentar! Sorry, dass ich so spät reagiere. Ich war vor kurzem noch auf Tour und habe hier einen grippekranken Teenager zu Hause. Danke für dein Lob und schön, dass dir die Folge so gut gefallen hat! Ich finde deinen Satz „Die Mehrheit braucht solche Narrative nicht“ sehr schlau. Tatsächlich ist ja der Faschismus auch kein Mehrheitsphänomen, sondern oft eine sehr dynamische Bewegung, die innerhalb einer Gesellschaft an Macht und Einfluss gewinnt, bis sie viele Mitläufer und Schweigende mitreißt.

      Ich mag auch Filme, die krachen und rummsen. Und auch ich kann meine eigentlichen moralischen Überzeugungen für einen Abend auf Stand By stellen und einen Rachefeldzug irgendwie cool finden. Dieser Film jedoch macht mir das unmöglich, weil die Bildsprache, die Motive, die Helden und Schurken, die Moralvorstellungen, die Rollenverständnisse von Mann und Frau usw. usf. so lupenrein und punktgenau faschistisch sind, dass ich das nicht ausblenden kann.

      Ich habe gelesen, dass Zack Snyder danach gefragt worden sein soll und er gesagt haben soll, dass er es einfach mag, wenn es kracht. Fertig. Ich glaube ihm das nicht. Natürlich ist die Bildsprache des Filmes platt. Ich gebe dir Recht, Ironie hätte nicht gepasst. Natürlich nicht. Der Film ist genau so platt wie eine Rede auf einer Querdenker-Demo, wo du genau weißt, wann die Leute johlen und klatschen. Der muss platt sein. Aber nicht aus Gründen der Ironie. Sondern weil er das Pathos braucht. Um politische Ziele zu erreichen? Keine Ahnung. Aber die Stelle mit dem halbblinden Krieger, der zum Volk zurückkehrt und die Geschichte erzählt, ist selbstreferentiell: Der Film meint sich selbst. Man kann hinterher immer sagen „Ich habe nur einen Witz gemacht“. Auch Snyder kann sagen: So meine ich das alles gar nicht. Aber wie glaubwürdig ist das? Ich finde: Gar nicht.

      Die zaudernden Politiker, die verkommenen, perversen Priester, der gekaufte Parlamentarier und der verräterische Jude – Verzeihung: Perser, natürlich. Jedenfalls der mit dem Geld. (Die neue italienische Premierministerin nennt sie Financial Speculators und meint mit ihnen genau wie ihr Vorbild Mussolini die Juden.) Und dazwischen: Die starken, unbeugsamen Männer und Frauen der Spartaner, die für die Heimat kämpfen. Das ist aus dem Fascho-Playbook abgeschrieben. Jemand, der beruflich mit Bildsprache arbeitet, weiß das.

      Ja klar, die Frauen. Es ist ja gar nicht der Fall, dass Faschisten und Nazis nur schwache Frauen kennen. Überhaupt nicht. Ihre Frauen sollen genauso stark und unbeugsam sein wie die Männer. Sie sind trotzdem nicht gleichwertig. Die Männer dürfen ehrenvoll im Kampf sterben, die Frauen opfern sich zu Hause auf, im Gebären, in der Aufzucht der Nachwuchskrieger, an der Heimatfront. Frau Leonidas gibt sich sogar dem Verräter hin, um das Schlimmste zu verhüten, aber das ist natürlich ein Fehler, wie sie später einsehen muss. Besser ist es, ihn direkt zu erdolchen. Man sollte da keinen Feminismus hineinlesen. Der Mann zieht in den Krieg, die Frau wartet auf ihn, bis er zurückkommt. Die Männer, die nicht in den Krieg ziehen, sind feige und Verräter.

      Ich finde deine Beobachtung mit dem gallischen Dorf toll. Es stimmt wirklich, es sind ähnliche Gefühle, wenn der zahlenmäßig überlegene Gegner bekämpft wird, weil man das Eigene schützen muss. Nur dass die armen Römer nie den Hauch einer Chance haben und es keinen ehrenvollen Tod gibt, noch nicht einmal für sie, für die Gallier schon gar nicht. Oder der Vergleich mit Gideon: hochinteressant. Mir ist das nicht eingefallen. Es ist eine ganz ähnliche Stoßrichtung wie bei 300, die sich auch gut nutzen und missbrauchen lässt. Hat Olaf Latzel in seiner berüchtigten Gideon-Predigt ja auch getan. Da wird das Niederhauen der Aschera-Götzenbilder zu einem Protest gegen den Islam und Multi-Kulti. Ich weiß es nicht, vermute aber, dass Latzel 300 toll findet. Ich behaupte, seine Theologie ist nicht weit entfernt.

      Sind Universalismus und Nationalismus miteinander zu versöhnen? Ich bin überzeugt, dass das nicht geht. Die Rechten auch, weshalb sie sich den Ethno-Pluralismus ausgedacht haben. Da kann jeder IN SEINEM LAND frei und glücklich sein. Nur wenn sie hier ALLE herkommen und UNS ALLE verschwulen wollen und uns von ‚Gott, Vaterland und Familie‘ abbringen wollen (Mussolini bzw. die neue italienische Regierungschefin), dann ist Schluss mit lustig, weil das hier ist Sparta.

      Ich finde, Snyder stellt die Frage nicht, sondern beantwortet sie.

      Das sind jedenfalls meine Gedanken. Keine Ahnung, ob sie dir einleuchten. Danke für dein engagiertes Mitdiskutieren! Liebe Grüße.

      • Hey Jay,

        auf die Sache mit dem Klassenzimmer bin ich in meinem Kommi zur Documenta nochmal kurz eingegangen.

        Hey Gofi,

        alles gut. Brauchst dich nicht zu erklären. Family first. Punktaus.
        Da ich zurzeit Urlaub habe und kaum eingspannt bin, kann ich mir hier viele Gedanken machen.
        Und letztlich umkreist die Diskussion all das, worüber ich bei euch 2 auch schon immer bei Hossa Talk „gestolpert“ bin.
        Aber zunächst kann ich es voll verstehen, dass für dich der Film ein rotes Tuch ist.
        Ich sage mir halt: Selbst wenn er das so (wie du es ihm unterstellt) gemeint hat, die Bilder sind schön und das kann ich genießen, ohne Gefahr zu laufen, morgen als Neonazi aufzuwachen.
        Genauso wie du dich auf eine Querdenker-Demo stellen könntest, ohne jemals überzeugt zu werden (nur dass es da wohl kaum „schön“) ist.

        Ethno-Pluralismus auf der einen, Universalismus auf der anderen Seite. sind für mich beides ideologische Utopien, die real nicht so friedvoll wie erhofft funktionieren würden.
        Klar wäre es mir recht, wenn wir vollkommene Freizügigkeit in Sachen Staatsbürgerschaft hätten und jeder da glücklich werden kann, wo er möchte.
        Mir wäre es auch recht, wenn jeder in seinem Land, in das er geboren worden ist, glücklich werden kann.
        Aber das eine ist genauso wenig realistisch wie das andere.

        In unserer Welt haben wir Einwanderungsländer wie Kanada oder Australien, die mit rigider Politik sich die besten Köpfe aus dem Weltmarkt angeln – und gleichzeitig haben wir „Frontex“ und erst heute morgen war „Sozialtourismus“ wieder in den deutschen Schlagzeilen.
        Es geht primär auch nicht um Verschwulung, sondern um innere Stabilität.
        Die große Befürchtung, die im Raum steht, ist der Zusammenbruch der Sozialsysteme. Und Europa beweist zurzeit, dass es nicht mal soweit kommen muss, um wieder nach rechts zu driften (Polen, Ungarn und nun auch Schweden und Italien; in Frankreich wars knapp).

        Ein Schlagwort der Konservativen lautet: „Grün/Links muss man sich leisten können.“
        Und ob man will oder nicht, es kann viel und lautstark in diese Richtung argumentiert werden.

        In Jason Lutes´ Graphic Novel „Berlin“ (Zeitraum 1920/30er bis zur Machtergreifung) ist auf einer Doppelseite die „schweigende Mehrheit“ gut abgebildet. Ein Mann und eine Frau sitzen in ihrer Wohnung, die sie von ihrem Erarbeiteten erworben haben, und der Mann erklärt der Frau, dass sie nun die Nationalsozialisten wählen, weil mit dieser Politik ihr Hab und Gut geschützt wird.
        Das Pärchen kommt in der restlichen Geschichte nicht vor. Dennoch fängt gerade diese Einstreuung die allgemeine Stimmung damals exemplarisch treffend ein.
        Das Argument wird, wenn nicht im kommenden Winter, dann in den nächsten Jahren beim Fußvolk wieder die Runde machen.
        „Was ist hier entgegenzusetzen?“ – Damit muss sich die Mitte und „links“ auseinandersetzen und schleunigst strukturelle Lösungen bringen. Dazu braucht es ein Versprechen, eine Vision, ja – man muss so weit gehen – Glaube an die Zukunft, Hoffnung!

        Und gerade diese schiere Unüberbrückbarkeit der verschiedenen Weltanschauungen lässt mich neugierig werden auf diesen Jesus von Nazareth, der, wenn man es glauben mag, diese Erde mal 1.000 Jahre regieren und demnach auch ordnen und verwalten wird, dass uns allen nur die Ohren schlackern werden.

        Zu Gideons 300 Truppe: Ich werde mich da nochmal etwas einlesen. Aber ich denke, in dieser Geschichte findet sich eine große Ironie. Gideon versucht Gott bekanntlicherweise mit dem nassen Fell.
        Im Gegenzug sagt Gott quasi: „Ok. Jetzt bin ich dran. Deine 300 dämlichsten Leute bleiben bei dir (Welcher Kopf bei Verstand leckt das Wasser aus dem Fluss???) und ihr werdet dennoch siegen. Das wäre so, als wäre Leonidas mit 300 Krüppeln in die Schlacht gezogen.
        Dann wäre hier die Andersartigkeit Gottes abermals abgebildet.

        Die Predigt Latzels hab ich eben mal schnell durchgehört.
        Ein Christ darf und soll keinen Götzendienst betreiben – die Frage ist halt, was darunter fällt. Hier müsste man in der Diskussion ansetzen.
        Ob ein Christ auch andere Religionen oder Teile davon in sein Glaubensleben, übernehmen sollte, da bin ich kritisch.
        Gideon hat in diesem Fall ja auch nur eine Statue umgenietet und keine Menschen.
        Der Reinheitsgedanke der Erzählung ist nicht von der Hand zu weisen. Was er konkret bedeutet, ist die Frage.
        Zumindest sagt Jesus an einer Stelle: Siehe, ich sende euch wie Schafe unter die Wölfe. Da ist auch der Angriffsgedanke nicht weit entfernt.
        Die Frage ist, ob Gott bzw. Jesus das immer so krass meinen, wie Latzel das dann schmissig auslegt…

        Zu den Frauen: Ja, klar. Da hast du recht. Ich fande die zwei Szenen dennoch bezeichnend. Da würde mich echt mal stark interessieren, wie ein ugabuga-Fan darauf reagieren würde. Von der Hand zu weisen, ist es nämlich nicht.

        • Du hast mal eben die Predigt von Latzel durchgehört? Wow! Respekt! Ja, das leuchtet mir alles ein, was du schreibst. Ich finde den Gedanken der Gideon-Geschichte als Anti-300 sehr charmant, muss ich sagen! Das passt wirklich gut zu anderen biblischen Geschichten, die das Helden-Pathos auf den Kopf drehen.

          • Doppelte Geschwindigkeit regelt ;).
            Aber er wird mir in dieser Predigt stellenweise viel zu politisch.
            Es hätte völlig gereicht zu sagen, dass mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht der Islam das Glaubensleben befleckt, da seine Hörer ohnehin keinen wirklichen Bezug dazu haben, sondern die Götter, die man noch so hat – und sei es die politische Sehnsucht nach einem „gesäuberten“ Deutschland.

            Seine Aussage „Wer keine Angriffe bekommt, ist auch kein echter Christ.“ nehme ich als gedankliche Herausforderung mit, den allzu schnell möchte ich das nicht achselzuckend von mir weisen.
            Aber auch huer gilt es zu fragen, welche Angriffe man tatsächlich um Christi willen und nicht um seines Ego willen erduldet. Da gibt es einen Abschnitt in den Petrusbriefen zu…

    • Querdenker, interessanter Hinweis. Die haben ihre Demos ja auch “Spaziergänge” genannt, um dem Infektionsschutz aus dem Weg zu gehen.

      Den Vergleich mit Asterix kann ich aber nicht wirklich teilen. Erstens felt da die “Todessehnsucht” (schöner Begriff!), die mir den Kern des faschistischen Erzähltons auszumachen scheint. Zweitens haben bei Asterix beide Seiten menschliche Schwächen, die voll ausgespielt werden und die Charaktere liebenswürdig machen. Gerade die Römer haben auch immer ein „Privatleben“ neben ihrem (oft unfreiwilligen) Hauptjob als „Bedrohung“. Genau das ist ein möglicher Weg, das Narrativ von Invasion und Verteidigung zu entnazifizieren.

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