Tomatensuppe auf dem van Gogh – Geht der Klimaprotest zu weit?

Die Protestaktionen der ‚Letzten Generation‘ sorgen für Aufregung. Viele sympathisieren mit den Aktivist*innen und unterstützen ihr Anliegen, andere fühlen sich durch sie genötigt und sind darüber wütend. Die Politik ist inzwischen regelrecht alarmiert und greift zu immer drastischeren Gegenmaßnahmen. Besondere Empörung ziehen die Attacken der ‚Letzten Generation‘ auf Kunstwerke nach sich, bei denen sie sich an Bilderrahmen festkleben oder Gemälde mit Lebensmittel oder Öl beschmieren. Bundesjustizminister Buschmann sieht bei diesen Aktionen „eine rote Linie“ überschritten. Wir fragen uns in diesem Talk, welche rote Linie er wohl meint? Gehen die Aktivist*innen wirklich zu weit? Warum zielen ihre Angriffe ausgerechnet auf Kunstwerke? Ist das nicht seltsam, dass sich darüber Menschen aufregen, die selbst möglicherweise gar nicht so gerne ein Kunstmuseum aufsuchen? Und sind die Aktionen der ‚Letzten Generation‘ selbst Kunst?

4 Kommentare

  1. Interessanter Talk 🙂 Ein Gedankenspiel dazu: Was ginge denn verloren, wenn so was wie die »Sonnenblumen« von van Gogh wirklich zerstört würden? Doch nur die Sache (ihr sprecht ja meistens von »Sachbeschädigung«), das Ding, das Gemälde, das Spekulationsobjekt, aber nicht das Bild. Das ist sicher in unserem kollektiven Gedächtnis, es gibt vermutlich abertausende von Drucken und Fotos davon, bestimmt einen hochaufgelösten Scan im Museum, mit dem ein Druck erstellt werden könnte, den das menschliche Auge nicht vom »Original« unterscheiden könnte. Wahrscheinlich hängt da schon eh eine Kopie, wäre nur vernünftig bei dem Marktwert – nur um den geht es doch, nicht um den potentiellen kulturellen Schaden. Deshalb die Verglasung und der Bewegungsmelder, der verhindert, dass man zu nah dran kommt und die Fälschung bemerkt. Oder Beltracchi hat’s nochmal gemalt 😉
    Im Übrigen würde ich mich auch gerne mal an einem Bild von Gofi festkleben, natürlich nur an eines von den virtuellen.

  2. Guter Talk. Ich kann diese Straßenaktionen nur schwer nachvollziehen, weil einfach so viele Menschen in Mitleidenschaft gezogen werde. Ich arbeite als Sozialarbeiterin in der ambulanten Betreuung. Gerade für Menschen wie mich ist das echt nervig und erschwert mir die Arbeit. Da bin ich zur Zeit echt froh über die kleine Stadt, in der ich arbeite und habe echt Mitleid mit allen, die diesen Job in Berlin etc. machen. Klar, sind wir nicht die, an die diese Aktionen gerichtet sind. Aber uns trifft es eben!

    Die Zerstörung von Kunstwerken finde ich da sinnvoller, weil eben niemand auch keine Krankenwagen blockiert werden. Diese Aktionen find ich ehrlich gesagt auch ziemlich cool. Für mich gibt es da einen sehr eindeutigen Zusammenhang: Kunst darf nicht zerstört werden aber die Natur darf zerstört werden! Wenn man das als Christ sieht, dann ist das ja Gottes Kunstwerk und sein Geschenk an uns. Und wir zerstören das mutwillig. Das tut schon weh und ich frage mich, warum gerade die CDU, die sich doch christlich nennt, da so gar keine Bedenken hat.

  3. Vielen Dank für das Einspielen des O-Tons. So ähnlich stelle ich mir das auch vor, als die alttestamentlichen Propheten „losgelegt“ haben, die ja auch immer gegen falsche Propheten ankämpfen mussten.

    Wären wir bei Hossa-Talk, könnte man noch folgenden Gedanken einstreuen:
    Ideologisch gehen die Klimaaktivisten davon aus, dass sich der Mensch selbst in die Scheiße geritten hat und auch die als zunehmend schwächer eingeschätzte Kraft haben wird, sich da auch wieder am eigenen Haare herauszuziehen.
    Dies folgt dem altgriechischem Gedanken, dass der Mensch das Maß aller Dinge sei.
    Aus biblischer Sicht haben wir es mit einem Gott/Schöpfer zu tun, der aus Wüsten grüne Wiesen und umgekehrt machen kann.

    Da wir nun bei Cobains Erben sind, bleibt zu sagen, dass die Kunstbesudelung als einmalige Aktion recht amüsant bzw. aufweckend ist, aber deren Wiederholung dann von mal zu mal schon recht fade bis geschmacklos wird. Klar könnten sie auch das Louvre in die Luft sprengen (was mir, sofern es keine menschlichen Opfer bzw. Verletzte gäbe, als Kulturbanause auch egal wäre) und hinterher darauf abstellen, dass es bald so oder so keinerlei Kultur mehr auf der Erde gibt.

    Ein Klimaaktivist hat bezüglich der von den Straßenblockaden ausgehenden Gefahr damit argumentiert, dass es gesellschaftlich akzeptiert wird, wenn durch einen „funktionierenden“ Straßenverkehr Tote zu beklagen sind.
    Dem kann man höchstens dadurch widersprechen, dass es darum umso wichtiger ist, den ohnehin immer schon gefährlichen Verkehr nicht unnötig noch gefährlicher zu machen. Und außer Unmut & Schlimmeres kommt gesellschaftlich eh nichts bei rum.
    Zu Jays Argument, dass jede Demonstration ggf. Rettungseinsätze behindert, bleibt zu sagen: Demonstrationen sind ja genau deswegen bei den Ämtern anzumelden und tw. absegnen zu lassen. Im Unterschied dazu scheint es mir so, dass die Klima-Kleber sich nicht vorher anmelden, was den laufenden Verkehr dann eben auch so stark beeinträchtigt. Bei anderen Demonstrationen wissen Rettungskräfte ggf. Bescheid und umfahren das Gebiet im Einsatz.

    Für mich ist im Talk nicht ganz klar geworden, warum wir nun irgendwo unbedingt ein „Original“ hängen haben müssen, damit unsere Kultur nicht untergeht – überspitzt gesagt.
    Und die Klima-Aktivisten sind ja noch meilenweit von einer Kulturzerstörung a lá IS entfernt.

    Die menschliche „Kunst“ hat doch immer darin bestanden, nach vorne zu blicken und neu anzufangen, ohne geschichtsvergessen zu werden.

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