Till Lindemann: Sex, Drugs and toxische Männlichkeit

Es ist in der letzten Zeit viel berichtet worden über die Band Rammstein und ihren Sänger Till Lindemann. Ausgelöst hat das die Nordirin Shelby Lynn, die behauptet, sie sei auf einem Konzert der Band betäubt und verletzt worden. Außerdem sei sie von Mitarbeitern der Band ‚gecastet‘ worden, um sie dem Sänger als Sexpartnerin zuzuführen. Dem hätte sie sich aber verweigert. Andere Frauen haben im Anschluss an Lynns Berichte von ähnlichen Erfahrungen geschrieben. Seit vielen Jahren inszeniert Lindemann sich als frauenverschleißender Macho und besingt sexuelle Gewalt. Doch jetzt scheint er den Bogen überspannt zu haben. Die moralische Empörung darüber ist groß. Sein Verlag hat ihn gefeuert, Geschäftspartner des Unternehmens Rammstein haben sich zurückgezogen. Hat er sich strafbar gemacht? Oder hat Lindemann ‚nur‘ seine Position als Rockstar ausgenutzt, um Sex zu haben? Und ist das eigentlich normaler Bestandteil von Sex, Drugs and Rock’n’Roll? Oder eher Machtmissbrauch? Welche Form von Macht sollte das sein? Und welche Vorstellung von Männlichkeit ist für Auswüchse dieser Art verantwortlich? All diesen Fragen gehen wir in unserem letzten Talk vor der Sommerpause nach.

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7 Kommentare

  1. Wieder eine schöne Staffel hingelegt. Zwei Talks muss ich noch nach hören und dann bin ich mal die weitere Entwicklung gespannt; wenn Jay hier Kurzrezensionen (muss ja nichts ausfabuliertes sein) zu seinen aktuellen Sichtungen geben würde – ja, das hätte doch etwas…

    Ich hätte zwar lieber den Talk zum neuem Left-Behind gehört, aber seis drum.

    Dass das „lyrische Ich“ nicht unhinterfragbar sein muss, war genau so erhellend für mich wie Lindemanns Schlechte Laune.
    Dass Lindemann keine Frohnatur ist, sollte irgendwie klar sein.
    Ein düsterer Melancholiker war er eben schon immer, fragt sich nur noch, wie düster.

    Bei Lindemann/Rammstein gibt es viel Schatten und wenig Licht/Hoffnung, auch wenn über die „Sonne“ gesungen wird, meint man, dass das Ende der Welt ausbricht.
    Ich habe das immer als eine Renaissance der „Schwarzen Romantik“ betrachtet; dazu passt ja auch das Volkstümliche.
    Durch sein Werk zieht sich so eine dunkle Unzufriedenheit mit der Welt, ein dunkler Weltschmerz, der sich erst am Abgründigen ergötzt und gleichzeitig abgestoßen ist.

  2. Da die Pflicht der Unschuldsvermutung für Privatpersonen nicht gilt, sage ich hier Mal ganz deutlich: ich glaube zu 100%, dass Lindemann schuldig ist. Keine dieser Frauen hat irgendeinen Grund, sich sowas auszudenken. Niemand profitiert davon, einen mächtigen Mann der Vergewaltigung zu bezichtigen. Ganz im Gegenteil. Und Lyrisches Ich hin oder her, wenn dir jemand wieder und wieder und wieder sagt, wie wenig er von Frauen und Konsens hält, muss man ihm das glauben. Ich fand Rammstein schon immer creepy und scheiße, selbst als edgy Teenager. Wie Gofi war ich von den Anschuldigungen überhaupt nicht überrascht.
    Eine kleine Tangente am Rande, weil Jay sagte, mit Prostituierten wäre das ja eine andere Sache: bei einer Befragung deutscher Prostituierten wurden sie gefragt, was sie am dringendsten bräuchten. 94% der Befragten antworteten: „einen Ausstieg“. Prostitution findet in Deutschland zum größten Teil unfreiwillig statt. Das Prostitutionsschutzgesetzes von 2001 hat das leider nur noch schlimmer gemacht, wir gelten als Menschenhandelszielland #1. Der Spiegel hat dazu erst neulich einen großartigen Artikel veröffentlicht (leider hinter einer Paywall), wenn sich jemand weiter dazu informieren will. Das wollte ich nur einmal sagen, weil ich die Aussage „warum bestellt der sich nicht ne Hure?“ schon häufiger gehört hab. Prostituierte werden in Deutschland sowieso schon jeden Tag vergewaltigt, da muss man die nicht auch noch zu Ekel-Till schicken. Das soll keine Rüge für Jay sein, nur ein bisschen bilden. 😉
    Alles in Allem mal wieder eine tolle, hörenswerte Folge!

  3. Ich finde ja in dem Zusammenhang den Begriff des Genies interessant. Lässt man Künstlern vielleicht auch deshalb mehr durchgehen, weil dieses Fehlverhalten irgendwie zum Bild des Genies dazugehört? Auch außerhalb der Kunst begegne ich dem Phänomen: Elon Musk darf auch ein asoziales Ekel sein, weil er ein scheinbar genialer Unternehmer ist.
    Manchmal scheint es fast so, dass diese Aspekte des Künstlergenies obligatorisch sind, wenn man denn internationale Aufmerksamkeit erlangen möchte. Schaden tut es jedenfalls bisher den wenigsten, auch wenn sich das gerade zu wandeln scheint.
    Sie Frage ist für mich, ob man nicht auch dieses Ideal des (künstlerischen) Genies in Frage stellen sollte. Es wirkt für mich sowieso schon irgendwie aus der Zeit gefallen, scheint aber noch sehr wirkmächtig zu sein.
    Liebe Grüße:-)

    • Da ist total was dran! Den Geniekult kriegt man leider nicht aus den Köpfen raus, ich glaube auch nicht aus denen der Kunstschaffenden. Mir geht er total auf den Keks, ich finde, dass der schon längst dekonstruiert werden muss. Überhaupt glaube ich zunehmend, dass auch die Kunstwelt Dekonstruktion schon überlängst nötig hat. Ansonsten bin ich der Meinung, dass man vor allem begabten und charismatischen Männern alles Mögliche durchgehen lässt. Bei Frauen wirds schon weniger. Allerdings lässt man sie auch schnell gerne fallen und erklärt sie zur traurigen Ausnahme, was meistens nicht stimmt.

  4. Vielleicht sollten wir alle mal unsere Götter und Göttinnen vom Thron stoßen?! Die Sänger*innen und Zuschauer*innen und unsere ganze Gesellschaft, also auch ich mich selbst, wir alle sollten uns mal hinterfragen.
    Was leben wir den Kindern vor? Warum können wir uns selbst sowenig lieben und/ oder brauchen Idole, die uns befrieden?
    Nichts gegen gute, laute was auch immer für Musik.
    Warum reden Jungs in den Oberschulen vor den Mädels auf schlimmste und eklige Art und Weise, haben kein Respekt mehr?
    Nichts gegen einen Konzertbesuch oder ein gutes Konzert? Aber was sind wir für Vorbilder*innen? Geht es uns nur um Action, Gier, Hedonismus? Wenn ich Kinder hätte, würde ich sie nicht auf so ein Scheiß-Konzert von Rammstein gehen lassen!
    Und ich hasse, es wenn Männer und Frauen ihre Macht gegenüber Kindern oder Erwachsenen ausnutzen!
    Ganz allgemein. Es läuft ne Menge schief auch bei uns selbst.
    Ciao.
    Sören

  5. Hi =)

    Ich wollte zu der Sache mit dem Lindemann Porno sagen: Ich hab den Porno auch egsehen und das Traurige daran ist:

    Ich war auch immer Rammstein Fan und ich traue Till lindemann und Rammstein generell zu dass dieser Porno auch gestellt/gefaked ist, Till nicht so ist privat und dass er damit sogar etwas Tiefgründigeres aussagen will

    (zb liest die Frau in dem Prono ja auch ein gedicht von ihm vor wo es irgendwie darum geht dass sein herz nicht mehr richtig schlägt wegen Liebeskummer usw.)

    – dh das kann auch einfach sowas ausdrücken wollen wie: „Ja wenn du star bist WOLLEN dich angeblich Alle (zb für harten Sex) – aber Niemand wirklich.

    Oder dass er als Star ab und zu sich „gezwungen“ sieht Frauen so zu behandeln – shcnelle „Rein/Raus“ Numer und dann wieder weg weil du ja ständig hier und da auf Tour musst rund um die Welt und dass es das kritisieren soll.

    Ich finds sogar in dem Kontext mutig dass auf ner Pornoseite wo ja Leute drauf gehen um genau solche teilweise auch ekelhgaften Sachen zu sehen zu veröffentlichen und damit quasi den Leuten auch einen Spiegel vor zu halten nach dem Motto:
    „Guck mal was es mit dir machst“ weil eben noch dieses Gedicht vorgelesen wird wo es quasi um geborchene Herzen geht. Quasi:
    „Ey du stumpfst wenn du solchen Sachen guckst voll ab…“

    ABER: Ich denke selbst wenn man ihm das im Positivsten aller Fälle so auslegen will dass er damit so etwas beabsichtigt hat – was ich – wie gesagt – ihm auch zutraue – und nicht unüblich wäre weil rammstein gerne der Gesellschaft den Spiegel vorhält –
    Es kommt halt zum dümmst-möglichen Zeitpunkit raus weil jetzt natürlich die Vorwürfe da sind und jeder das mit den Vorwürfen assoziert.

    Gut dass konnte er vielleicht nicht ahnen aber wie gesagt: Jetzt wird keiner das mehr als „Kunst“ ansehen können weil es diese Vorwürfe gegen ihn gibt – das ist das Problem

  6. Die weiche Art von Machtverhältnissen: „Du bist so toll!“ oder „Ich bin so toll!“. Dem kann man wahrscheinlich nur mit einer großen Portion Selbstreflexion oder Demut, Empathie und vielleicht Gottesglauben entkommen. Maßnahmen des Umfeldes – also von uns -: mit den Opfern rücksichtslos solidarisieren, Taten öffentlich machen, Täter isolieren. VOR ALLEM ABER PRÄVENTIV NIEMANDEM DIESE MACHT ZUGESTEHEN!!! Das Umfeld reagiert leider in den Fällen die ich kenne immer als kollektive Schweigemasse. Das finde ich so ätzend also zum Kotzen. Das so viele nicht den Mut haben, für andere einzutreten.
    Religiös werden alle sogenannten Götter und Herrscher ja schon im ersten Schöpfungsbericht der Bibel demontiert (sie sind nur Lampen!). Christ:innen haben daher sowieso keine bestechenden Argumente für irgendein Machtgebahren!

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